Yosemite National Park

Wandern im Yosemite National Park – Ein Reisebericht

Wir haben auf einer Farm übernachtet, irgendwo im Nirgendwo. Auf der Hinfahrt dachte ich bei ihrem Anblick, dass mein letztes Stündlein geschlagen hätte, denn schreien würde mich hier sicher niemand hören. Unsere AirBnB Unterkunft hat sich dann aber überraschenderweise doch nicht als Teil zwei der American Horror Story herausgestellt, sondern als sehr friedlicher, fast schon idyllischer Ort mit einem fantastischen Blick auf den Sternenhimmel.
Die Farm liegt in der Nähe von Mariposa, etwa 1 ½ Stunden entfernt von den Toren des Yosemite Nationalparks. Dorthin soll es heute gehen: Wandern, die Natur entdecken, mit Erdhörnchen sprechen. Oder so.

Ausblicke auf den Yosemite Park

Schon die Hinfahrt ist phänomenal, denn bevor wir die Tore des Parks erreichen, bei denen wir unseren America the Beautiful Annual Pass vorzeigen müssen, geht es erst mal bestimmt eine dreiviertel Stunde über eine verschlungene Bergstraße, die immer wieder atemberaubende Ausblicke auf die Landschaft bietet. Die Wolken, die dabei über den Bergrücken hängen, sehen aus wie gemalt. Überhaupt wirkt alles, als ob jemand ein Gemälde in Überlebensgröße gemalt und aufgestellt hätte.

Schließlich fahren wir durch die Schranken in den offiziellen Teil des Parks hinein, eine Weile weiter bergauf und dann durch einen Tunnel. Erst als wir auf der anderen Seite wieder herauskommen, wird mir klar, dass wir gerade ein ganzes Bergmassiv durchquert haben. Diese Erkenntnis wird gleich darauf jedoch von der unfassbaren Aussicht davongespült, die sich hinter der Frontscheibe auftut: Über ein Meer von dunkelgrünen Tannen schaue ich direkt ins Yosemite Valley.

Ich habe mir den Park schön vorgestellt, naturbelassen, wie ein Nationalpark eben zu sein hat. Aber so gewaltig und surreal wie er tatsächlich ist – damit hätte ich nicht gerechnet.
Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Visitor Center. Wir haben leider nicht genug Zeit, um die fünf stündige Wanderung zum Halfdome anzutreten und die Passstraße 120, die an ihm vorbeiführt, ist in Teilen auch noch gesperrt. Deshalb entscheiden wir uns für einen Trail, der vielleicht nicht ganz so spektakulär, dafür aber mindestens ebenso wunderschön ist.

Der Mirror Lake Trail

Der Mirror Lake Trail passt genau in unseren Zeitplan: Etwa ein bis drei Stunden benötigen wir, um bis zum See und wieder zurück zu laufen. Denn der Name des Trails ist Programm: An seinem Ende erwartet den tapferen Wanderer der wunderschöne Mirror Lake, in dessen kristallklarem Wasser sich die umliegenden Bäume und Berge spiegeln. Doch auch hinter dem See gibt es noch Einiges zu entdecken, die Kalkfelsen etwa oder Wild, das uns versteckt hinter Baumstämmen beobachtet. Die ganze Landschaft wirkt auch hier unwirklich, die hohen grauen Felsenwände umgeben uns wie ein Wall aus Beton. Gegen sie heben sich die Tannen wie die leuchtendsten Farbtupfer ab.

Als wir den See zur Hälfte umrundet haben, ziehen Wolken vor die Sonne. Es wird merklich kühler und wir beschließen den Loop abzubrechen. Stattdessen gehen wir den gleichen Weg zurück, den wir auch hingegangen sind: Vorbei an bemoosten Steinen, über einen mit Kopfsteinpflaster belegten Weg bis hin zu einem Baumstamm, der quer über den Fluss gefallen ist. Wir verlassen den offiziellen Pfad und klettern die Böschung hinab. Der Stamm bildet eine Art Brücke über das Wasser und wir balancieren vorsichtig bis zur Mitte. Danach wird das Holz zu morsch und wir bleiben stehen, setzen uns hin und essen unsere Sandwiches umgeben von gluckerndem Wasser.

Allein in weiter Natur

Bis wir den offiziellen Wanderweg wieder erreichen, ist der Himmel noch dunkler geworden. Mir wird klar, dass es nicht nur die Wolken sind, die zuziehen, sondern dass sich der Abend über das Tal senkt. Auf dem Wanderweg ist niemand sonst zu sehen, wir sind ganz allein. Plötzlich kommt mir die Weite des Parkes und seine Stille gar nicht mehr abenteuerlich vor. Stattdessen geistern Szenarien vor meinem Auge umher, die mich und eine Nacht in dieser Wildnis beinhalten. Denn auch wenn es dank des Park Services und der vielen Touristen nicht so scheinen mag: Der Yosemite Park ist wild, viel wilder als wir uns das als Europäer vorstellen könnten.

Dieses Wissen rieselt langsam in mein Bewusstsein, während ich mit jedem Schritt, jedem Knacken im Gebüsch und jeder Minute, in der es dunkler wird, schneller über den Waldweg hetze. Ich schaue auf die Uhr und stelle fest, dass der letzte Shuttle Bus zum Visitor Center in knapp zwanzig Minuten fährt. Das macht die Situation nicht besser.

Ich laufe noch schneller, möchte zurück in den Wagen, zurück in die Sicherheit unserer AirBnB Unterkunft. Als wir die Straße und den Bus endlich erreichen, bin ich Schweiß überströmt. Die Weite des Parks ist mir mit Blick auf die hereinbrechende Nacht und die Tatsache, dass nirgendwo eine Menschenseele zu entdecken war, plötzlich ein bisschen zu weit und zu überwältigend geworden. Ich bin eben doch ein Stadtkind. Irgendwie.

Zurück durch die Nacht

Als wir den offiziellen Teil des Parks verlassen, ist es stockdunkel. Die Bergstraße, die auf dem Hinweg noch so tolle Ausblicke geliefert hat, ist jetzt zu einer gefährlichen Ansammlung von Kurven und Abzweigungen geworden. Denn Lampen gibt es hier nicht, von Randmarkierungen ganz zu schweigen.
In der nächsten Kurve steigt mein Reisepartner mit einem Mal voll auf die Bremse: Vier Rehe stehen mitten auf der Straße und starren in das Licht unseres Wagens. Nur langsam verziehen sie sich wieder ins Dickicht und wir fahren bis zu unserer Unterkunft noch vorsichtiger und aufmerksamer.

Als wir schließlich wieder zurück sind und in der Küche der Farm Nudeln mit Tomatensauce kochen, während die Katzen unseres Gastgebers um meine Beine schleichen, wird mir bewusst, wie wenig ursprünglich Deutschland eigentlich noch ist. Dieses Gefühl, dass mir die Natur tatsächlich etwas tun könnte – das hatte ich noch nie. Denn der einzige wirklich große Wald, den wir noch haben, liegt viele hundert Kilometer von meiner Heimat entfernt. Von wirklich gefährlichen wilden Tieren einmal ganz abgesehen.
Als wir an diesem Abend in unser Kingsize Bett kriechen bin ich jedenfalls verdammt froh, in der Sicherheit des Hauses eine schnurrende Katze auf der Brust zu haben.

Ziel Yosemite Nationalpark
Gewandert Mirror Lake Trail
Länge Round Trip: 3,2 Km, Full Loop: 8 Km

 

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sileas

Hach, was für ein schöner Bericht untermalt mit tollen Bildern! Die USA sind einfach so riesig, dass einem die menschenleere Gegend schon mal Angst machen kann :P Dein neues Design gefällt mir übrigens sehr gut!

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[…] Wandern im Yosemite National Park · Die Gradwanderung […]

Sabi

Sehr schöner Beitrag, tolle Bilder!!
Wir waren im Oktober im Yosemite wandern, sind zum Half Dome gegangen – das ist nichts für schwache Nerven. Falls du mal wieder hinkommst, kann ich es dir aber echt empfehlen.
lg Sabi

Kaja

Schöne Bilder! Da werde ich ganz wehmütig, weil ich mir den Yosemite Park wohl nicht ansehen kann. Wir reisen Anfang April in die USA, aber da wird der Pass sicher noch gesperrt sein, oder?

Liebe Grüße,
Kaja

Kaja
Reply to  Anna

Ach super, Danke für den Tipp! Da werde ich mal reinschauen. Ja, mache mir da auch nicht all zu große Hoffnungen..

Mikesch
Mikesch

Angels Landing fehlt noch, nicht die Einsamkeit, aber Nervenkitzel pur mit grandioser Aussicht…
Toll geschrieben!

P.S.
Ändere mal das Captcha in ein reCaptcha um, dieses hier nervt eigentlich nur ;-)

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[…] Weiterlesen bei Die Gradwanderung […]

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[…] viele Wanderwege und View Points, die dich als Besucher mit angehaltenem Atem zurücklassen. Bei allem Staunen darf man aber trotzdem nicht vergessen, dass Yosemite um einiges wilder ist, als a… Du stehst kurz vor deiner Reise oder möchtest dich über Wandermöglichkeiten im Park informieren? […]

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[…] Zu den bekanntesten Nationalparks der USA gehört wohl der Yosemite. Natürlich darf er in meinem Artikel nicht fehlen, denn der Park ist wirklich außergewöhnlich. Allein der Blick auf das Valley bei Einfahrt ist grandios. Absolutes Muss! Meinen Reisebericht zum Yosemite Park kannst du hier sehen. […]

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