Eine Freundin hat mal zu mir gesagt: „Du bist so mutig. Du setzt dich einfach in ein Flugzeug und fliegst um die halbe Welt – ohne Reiseagentur, ganz auf eigene Verantwortung. Das würde ich mich nicht trauen, ich wüsste gar nicht, wo ich mit der Planung anfangen sollte.“
Dieser Satz hat mich verwirrt, denn mein erster Gedanke war: Ich und mutig? Nicht wirklich. Alle anderen machen Dinge, die wirklich mutig sind (gerade wenn ich mich da so in meinem Blogger-Umfeld umsehe), aber ich doch nicht. Was ist schon dabei, eine Reise zu planen und sie dann auch anzutreten? Ob ich nun einen Städteurlaub in Paris plane oder einen Roadtrip quer durch die USA – im Prinzip funktioniert alles gleich und bei beiden Reisen kann es zu unvorhergesehenen Problemen kommen. Der Unterschied ist nur die Distanz und die Dimension der Reise. Aber ob ich nun am LAX strande oder am Charles de Gaulle Airport tut doch eigentlich nichts zur Sache? Dachte ich. Und offenbar dachte ich falsch, denn keine zwei Wochen später hörte ich einen ähnlichen Satz von einer anderen Freundin. Deshalb habe ich noch einmal darüber nachgedacht und mich gefragt: Bin ich mutig? Ich sage immer noch: Nur bedingt. Aber vielleicht liegt das auch einfach daran, dass Mut für jeden etwas anderes ist? Und dass man an den Dingen wächst, die man sich traut?
Das erste Mal alleine reisen
Als ich das erste Mal ganz allein in ein fremdes Land gereist bin, war ich vierzehn und gerade auf dem Weg zu einer Sprachreise nach England. Das war nicht meine Idee gewesen – meine Eltern hatten beschlossen, dass mir das gut tun würde. Ich selber fand die Idee zwar auch ganz in Ordnung, aber nur solange noch genügend Zeit zwischen mir und dem Abflugtermin lag. Je näher der Termin rückte, desto unsicherer wurde ich und ich weiß immer noch ganz genau, dass ich mir über alle möglichen und unmöglichen Probleme Gedanken gemacht habe und mir ziemlich sicher war, dass auf jeden Fall irgendetwas schief laufen würde. Und es ging auch das ein oder andere in die Binsen, aber aus der Retrospektive betrachtet habe ich auf dieser Reise gelernt, mir selbst zu vertrauen. Denn trotz der großen Befürchtungen war es gar nicht so schwer, mich durchzulavieren. Natürlich waren es keine weltbewegenden Probleme, auf die ich gestoßen bin, aber sie waren gerade groß genug für mein vierzehnjähriges Ich.
Die zweite Eskalationsstufe
Meine zweite Herausforderung in Bezug auf das Reisen folgte dann zwei Jahre später: Mit sechzehn flog ich als Stipendiatin nach Australien und ging dort zur Schule. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass die Zeit nur gut war. Sie war anstrengend, mit vielen Tränen und Heimweh verbunden. Aber sie war auch die beste in meinem Leben. Ich habe Freundschaften geschlossen, die bis heute andauern, und bin als Person daran gewachsen.
Warum ich das erzähle? Weil ich vor jeder dieser Reisen Angst hatte. Angst, etwas falsch zu machen, etwas nicht zu schaffen, irgendwo auf der Strecke verloren zu gehen, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Ich habe mir einen Kopf gemacht, wo andere sich einfach auf die Zeit weg von zu Hause gefreut haben. Ich war kein Stück mutig. Aber ich habe es trotzdem getan. Und dadurch habe ich Sicherheit gewonnen und gemerkt, dass alles nur halb so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.
Vom Mut zu reisen
Das Gleiche gilt auch für die Reisen, die ich heute unternehme: Ich bin immer noch ein Mensch, der auf Sicherheit bedacht ist. Inzwischen war ich aber schon so häufig unterwegs, dass ich einen gewissen Erfahrungsschatz mit mir herumtrage, dem ich vertrauen kann. Trotzdem merke ich auch jetzt immer wieder: Ich neige dazu, Bekanntes zu wiederholen – Städtereisen zum Beispiel. Oder den Besuch von Ländern, in denen ich beispielsweise die Sprache spreche oder sie mir zumindest nicht vollkommen fremd ist. Oder den gleichen Reisepartner zu haben, den ich in und auswendig kenne. Ein Löwenherz bin ich also immer noch nicht. Ich wäre es aber gerne. Deshalb habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen genau das zu tun: Mich selbst mehr aus meiner Komfortzone zu hebeln, Dinge zu tun, vor denen ich Angst habe. Genau das ist es nämlich, was mich am Reisen fasziniert: Sich selbst vor Herausforderungen zu stellen, sie zu lösen und am Ende – egal, ob alles glatt gelaufen ist oder nicht – zu wissen, was man kann und was nicht. Denn so ängstlich und wenig mutig ich manchmal bin, so neugierig bin ich auch. Frei nach dem Motto: „If it doesn’t challenge you, it won’t change you.“
Und für alle, die sich jetzt fragen, was ich vorhabe: Nein, ich werde nicht in Hochrisikoländer reisen. ;-)
Du sprichst mir aus der Seele! Ich habe den Satz auch so oft gehört und mir immer gedacht „wie kann es denn mutig sein, das zu tun, was man liebt?“ Für mich ist es nicht mutig, meine Träume in die Tat umzusetzen. :-) Aber lasse dir gesagt sein, auch ich habe (leider) kein Löwenherz – ich habe immer und überall Angst, vor quasi allem, manchmal fühlt es sich an, als hätte ich vor meinem ganzen Leben Angst; dass irgendetwas schief geht, dass irgendetwas nicht so toll ist oder dass ich irgendetwas mache, was andere nicht so toll finden… aber auch… Read more »
Danke Marlena, schön zu sehen, dass es auch noch anderen so geht. :)
ein wunderschöner text, in dem ich mich in vielen punkten wiederfinde. das, was jemand als mutig empfindet, ist immer sehr subjektiv und manche sind einfach von natur aus mutiger als andere, was aber oft auch nur an unwissenheit liegt. komfortzonen verlassen zu wollen ist auf jeden fall besonderer mut und ich wünsche dir viel erfolg und bereichernde erfahrungen dabei!
Dankeschön! :)
Hallo Anna, ganz toller Artikel, den werde ich sehr gerne auf Facebook erwähnen, da er thematisch hervorragend passt. Ich stolpere auch immer wieder darüber, wie schwierig das Reisen für andere Menschen ist und wie scheinbar „einfach“ es für mich ist. Aber wie du kann ich bestätigen, dass ich meine Erfahrungen gesammelt habe und die mir bei jeder Reise helfen. Und ja, außerdem bin ich einfach zu neugierig auf die Welt. Noch schöner finde ich es, wenn ich Menschen in meinem Umfeld beobachte, die mir erst ein Jahr lang Löcher in den Bauch fragen, dann doch die eine große Reise wagen… Read more »
Super, Danke! :)
Hey Anna, ohhh, das kommt mir aber bekannt vor: Mir sagen auch ständig alle, dass sie auch gerne so mutig wären wie ich. Dabei denke ich mir immer, dass ich gar nichts so Mutiges mache. Reisen sind für mich mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden und auch, wenn ich vor Ländern wie Marokko, dem Iran oder dem Senegal auch immer etwas aufgeregt war, gewöhnt man sich ganz schön schnell an den klassischen Ablauf einer Reise ;) Je öfter man verreist, desto leichter wird es :) …und bei mir persönlich sind genau dieser Nervenkitzel und das Quäntchen Mut genau das, was ich in… Read more »
Siehst du, in den Senegal habe ich mich noch nicht getraut. Aber du hast recht: Das Quäntchen Nervenkitzel gehört einfach dazu. ;)
Vielen Dank für den schönen Text. Ich bin eine von denen, die furchtbare Angst davor hat, alleine zu reisen. Obwohl ich weiß, dass nichts passieren kann, ist da immer etwas, das mich scheinbar daran hindern will, endlich mal „mutig“ zu sein und ganz alleine eine Reise anzutreten. Ich hoffe sehr, dass ich es dieses Jahr endlich mal schaffe.
Dann drücke ich dir die Daumen! :)
[…] nie zu meinen Top-Reisezielen. Das mögen viele nicht verstehen. Lies dazu gerne meinen Artikel Vom Mut zu reisen: Warum ich gerne ein Löwenherz wäre. Dieser Artikel erklärt meine Beweggründe hierzu ganz gut. Warum Hongkong für mich eine gute […]